Ich spüre die kalte, feuchte Erde zwischen den Zehen. Bei der kleinsten Bewegung schmatzt es unter meinen Füßen. Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich mir unter „Waldbaden“ vorgestellt hatte. Als wir uns vor 20 Minuten am Treffpunkt in Bad Wildungen – Bergfreiheit getroffen hatten, war ich davon ausgegangen, dass ich jetzt barfuß im Wald stehen würde?! Eher nicht.
Während ich mir mit bereits geschlossenen Augen die absolut berechtigte Frage stelle, wie ich meine dreckigen Füße nach dieser Übung wieder sauber bekomme, höre ich, wie eine Stimme versucht, zu mir durchzudringen. Bereits in wenigen Minuten werde ich meine nackten Füße vergessen haben und nur ab und an an sie erinnert werden, wenn ein ganz besonders spitzer Stein oder eine Buchecker meine Aufmerksamkeit einfordert. Jetzt konzentriere ich mich aber erst einmal auf die Stimme, die mir sagt, dass ich mich auf meinen Atem fokussieren soll.
Alle Sinne bewusst einsetzen
Die Stimme gehört Jessica Schmitz, unserem „Waldbade-Coach“ für diesen Nachmittag. Die Leidenschaft für ihren Beruf ist ihr von Anfang an anzumerken. Als sie vor einigen Jahren das erste Mal vom Thema „Waldbaden“ hörte, war dies für sie wie ein Weckruf: „Damit mache ich mein Hobby zum Beruf!“
Unser Erwachen folgt einem leisen Glockenschlag, den Jessica am Ende der Atemmeditation erklingen lässt. Wir öffnen alle die Augen und blicken uns gegenseitig an. Alles, was vor fünf Minuten noch so wichtig war, dass es wie Kaugummi unter den Schuhen im Gedächtnis zu hängen schien, ist nun vergessen. Stattdessen nehmen wir unsere Umwelt zum ersten Mal richtig bewusst wahr.
Jessica Schmitz verwundert unsere Reaktion nicht: „Ich mache gerne eine Übung zum Start, die den Teilnehmern dabei hilft, im Hier und Jetzt anzukommen.“
Während der Übung hatte sie uns immer wieder gebeten, nur einen Sinn bewusst einzusetzen. Jetzt scheint es, als wären alle Sinne gleichzeitig wach. Sie schlägt vor, dass wir nun ein wenig tiefer in den Wald gehen. Wie selbstverständlich greifen wir nach den Schuhen mit den darin zusammengeknüllten Socken – die Füße sollen sie jetzt aber noch nicht finden.
Stattdessen schreiten wir achtsam durch den Wald, und Jessica macht uns hier und dort auf einen Käfer, eine Steinformation oder einen besonders interessanten Pilz aufmerksam.

Wertungsfrei durch den Wald
„Wichtig ist es, nicht zu werten“, gibt sie uns als Ratschlag mit. Sämtliche Kategorien von „schön“ bis „ekelig“ werden also in eine Schublade geschoben, und nach kurzer Zeit sieht man uns alle mit nackten Füßen und in gebückter Haltung durch den Buchenwald schleichen.
Nur wenig später sammeln wir uns wieder in dem für uns schon bekannten Kreis: Jetzt sollen wir mit verschiedenen Qigong- Übungen unsere Entspannung weiter vertiefen, den Alltag noch hinter uns lassen und unsere Umwelt noch intensiver wahrnehmen.
Den fließenden Bewegungen des Qigong folgen achtsame Schritte durch den Wald. Mit fast kindlicher Freude hatten die Teilnehmer die bereitgestellten Lupengläser entgegengenommen und waren dann für einige Minuten nicht mehr zu sehen, bevor sie in sich ruhend an den Ausgangspunkt zurückkehrten.

Achtsame Tee-Zeit
Nun hält Jessica Schmitz eine Wasserkanne in der Hand – in ihr eine einzelne Teeblume. „Es geht darum, geduldig abzuwarten, bis die Blume sich vollständig geöffnet hat“, erklärt sie, während sie dampfendes Wasser in die Kanne gießt. Geduldig warten wir also und warten und warten … bis die Blume sich öffnend in der Kanne herabsinkt.
Bereits jetzt duftet es leicht nach Rose, und als wir die Gläser herumreichen, strömt uns zusätzlich der leicht bittere Geruch von weißem Tee in die Nase. Langsam am warmen und wohltuenden Getränk nippend, tauschen wir uns über unsere bisherigen Erfahrungen aus.
Bei einer letzten Übung lässt uns Jessica die Sachen auf eine kleine Holzscheibe schreiben, die wir uns derzeit am meisten wünschen: „Ruhe finden“, „Innere Ruhe“, „Frieden“ und „Akzeptanz“.
Während wir zurück zum Auto gehen, erfolgt der erste Blick auf die Uhr. Fast zwei Stunden sind vergangen …
Die Zeit ist wohl bei unseren Wünschen im Wald geblieben.
Über Jessica Schmitz
Jessica Schmitz ist gelernte Arzthelferin und Diabetes-Beraterin. Nach über 20 Jahren entschied sie sich, Menschen auf eine andere Art und Weise zu helfen. Als selbstständige Kursleiterin für Waldbaden und Natur-Resilienz-Trainerin begleitet sie heute Menschen auf der Suche nach mehr Achtsamkeit im Leben. Besonders häufig leitet sie dabei Gruppen im Bereich der Teambildung oder zur Burnout-Vermeidung an. Auf Wunsch vergibt sie aber auch 1:1-Termine und bietet darüber hinaus auch immer wieder verschiedene Veranstaltungen zur offenen Teilnahme an.
Mehr Informationen zum Thema Waldbaden und Kursleiterin Jessica Schmitz findet ihr auf ihrer Website:
www.holistic-nature.de