Das Upland ist jedes Jahr beliebtes Reiseziel für Tausende von Urlaubern. Mit dem Skywalk in Willingen ist die Region um eine Sensation reicher. Die längste Hängebrücke Deutschlands lockt schon jetzt unzählige Besucher. Wir sind für euch vor Ort gewesen.
Würde der Autor dieser Zeilen, der selbst über den SkyWalk schritt, Lukas heißen und man seinen Namen ins Englische übertragen, dann käme vermutlich irgendwann die Kurzform Luke heraus. Und da hätten wir sie auch schon, die steile Vorlage für einen äußerst flachen Witz: dann wäre er nämlich Luke Skywalker.
*Raum für ein erstes resignierendes Kopfschütteln mit anschließendem, unfreiwillig einsetzenden Schmunzeln*
Aber der Autor heißt nunmal Andreas und die Vorlage entfällt. Flach bleibt der Witz trotzdem, und genau aus dem Grund musste er auch seinen Weg in den Artikel finden. Der Frage nach dem Vater von Luke gehen wir vielleicht ein anderes Mal nach.
Längste Hängebrücke
Nachdem die überschaubaren Humorgrenzen des Autors nun geklärt sind, wenden wir uns dem Wesentlichen zu. Dem Skywalk in Willingen: mit 665 Metern Deutschlands längste Hängebrücke. Aber noch viel imposanter ist, dass es sich beim Skywalk um die längste frei schwingende Hängebrücke der Welt handelt. Tibet-Stil nennt man diese Bauform ganz ohne Abspannseile oder hoch aufragende Bauteile.

Steiler Aufstieg
Schon auf dem Parkplatz herrscht reges Treiben. Fahrzeuge aus allen Ecken der Republik und von jenseits der Landesgrenzen reihen sich am Fuße des Ettelsberg-Areals. Platz ist dort für mehrere hundert Autos. Und wer sich die Warteschlange oben am Ticketautomat sparen möchte, kann schon hier mittels QR-Code online sein Ticket kaufen und aufs Smartphone laden. 11 Euro kostet der Besuch der Brücke, ermäßigt 8,50 Euro. Da aus Sicherheitsgründen weder Fahrräder noch, Kinderwägen oder Rollstühle auf die Hängebrücke dürfen, ist es angedacht, Einbahnstraßenabende einzuführen, um auch Menschen mit Behinderung das luftige Erlebnis zu ermöglichen.
Bis zum Skywalk sind es etwa 1,6 Kilometer Wanderweg bergauf. Immer wieder geben die Baumwipfel den Blick auf die Hängebrücke frei, und von Mal zu Mal werden die enormen Ausmaße des Skywalk deutlicher. Der Beschilderung folgend, ist es kurz vor dem Eingang zur Brücke nur noch eine kleine Steigung direkt hinter einer Kurve. Wer nicht so gut zu Fuß ist, nimmt einfach den Eingang auf der Mühlenkopfseite, wo die Mühlenkopfbahn bis nach oben zum Skywalk fährt.
Große Gefühle
In windigen 99 Metern Höhe über dem Grund des Strycktals schleicht sich die Vermutung ein, den Skispringern ein High Five geben zu können, während man dicht an der Mühlenkopfschanze und gefühlt inmitten der Flugbahn steht.
Apropos Gefühle. Blickt man beim Gang über die Brücke in die Gesichter der Besucher, eröffnet sich einem ein wahres Potpourri an Stimmungen und Gesichtsausdrücken. Von freudiger Erwartung über skeptische Vorsicht hin zu ängstlichen Griffen nach den Stahlseilen. Immer dabei aber: absolute Faszination und jede Menge Respekt.
Bei klarem Wetter kann man kilometerweit blicken. Über die Felder des Uplandes, Mittelgebirgshänge bis runter nach Willingen. Unter den Rauten des 1,30 Meter breiten Bodengitters geht es mit jedem weiteren Schritt tiefer hinunter. Irgendwann verschwindet die anfangs noch dichte Vegetation unter den Füßen. Später wirkt alles unter dir nur noch wie eine kleine Modelleisenbahnwelt. Fast als könne man mit den Fingern die Figuren, Fahrzeuge und Gebäude nach Belieben auf der Miniaturwelt greifen und verschieben. Doch spätestens der nächste kleine Windstoß, der die Brücke zum Schwingen bringt, weckt dich auf und reißt dich aus deinen kleinen Allmachtsphantasien, als Herr der Spielzeugwelt.
Fakten „kurz und knapp“:
Länge der Brücke:
665 Meter
Höhe über Talgrund:
99 Meter
Höhe der Portalstützen:
10 Meter
Verbauter Beton:
insgesamt über
200 Kubikmeter
Anzahl Schrauben:
ca. 5000
Windlast, welche die Brücke mit einem halben Meter Schnee und Eis aushält:
155 km/h (zum Vergleich: beim Sturm Kyrill 2007 wurde ein Rekord von 147 km/h gemessen)
Erste Idee:
2016
Gründung der Gesellschaft: 2017
Start Planung Standort Willingen:
Frühjahr 2018
Baugenehmigung erhalten: Dezember 2021 (d.h. 3 Jahre Genehmigung)
Baubeginn:
Januar 2022
Investitionssumme:
über 4,5 Mio. Euro (Brücke, Statik, Geologie, Genehmigung, Umgebungsarbeiten)
Höchste Sicherheit
Das Schwingen der Brücke zwingt dich unwillkürlich dazu, hin und wieder nach dem Geländer zu greifen. Vor allem, wenn man die beginnende Bewegung nicht vorhersah. Ein Gefühl von leichtem Beschwipstsein, so könnte man es umschreiben.
Aber trotz allem immer mit dabei: das Gefühl der Sicherheit. Die vier gewaltigen, sieben Zentimeter dicken Stahlseile werden die Belastung schon aushalten. Schließlich sind sie für eine Nutzungsdauer von 50 Jahren ausgelegt und müssen in dieser Zeit das Gesamtgewicht der Brücke von 170 Tonnen halten. Ein Seil allein wiegt schon stattliche 17,5 Tonnen. Ulrich Keudel, einer der Geschäftsführer des Skywalk, unterstreicht die blanken Fakten augenzwinkernd mit den Worten: „Schweizer Ingenieurskunst gepaart mit deutschen Prüfern“.
Bestens gerüstet
Obwohl rein rechnerisch weit über 1.000 Personen gleichzeitig auf die Brücke dürften, erlauben die hohen Sicherheitsstandards lediglich, dass 750 Besucher den Skywalk betreten. Erfasst wird das digital an den Zugängen zur Hängebrücke und die Ticketausgabe stoppt bei Überschreitung der Höchstzahl.
Sobald die Wetterstationen auf dem Skywalk zu große Niederschlagsmengen oder starken Wind erfassen, wird die Brücke aus Sicherheitsgründen geschlossen. Ausgelegt ist der Skywalk dafür, dass er einer Windlast von 155 km/h standhält, selbst wenn er mit einem halben Meter Schnee und Eis bedeckt ist.
Fest verankert
Am Tiefpunkt der Hängebrücke und beim Blick zu den beiden Seiten, wo der Skywalk fest im Berg verankert ist, kommt man nicht umhin, ins Staunen zu verfallen. Darüber, welcher Aufwand nötig war, die immensen Zugkräfte der Brücke in Mühlenkopf und Ettelsberg zu leiten.
„Fünf Jahre haben wir an diesem Projekt geplant. Geologie und Statik haben uns wirklich diese Zeit gekostet“, verrät Ulrich Keudel weiter. Diese Aussagen verwundern kaum. Insgesamt acht Anker mussten pro Seite 21 Meter tief in den Berg aus Tonschiefer getrieben werden, um allein die Zugkräfte der Tragseile aufzunehmen. Alles zusammen mit Beton im Gestein verpresst. Hinzu kommen 20 weitere Anker, die die Kräfte der beiden sogenannten Portalstützen auf jeder Seite aufnehmen.
edlake Tipp
Der Skywalk reiht sich übrigens ein in ein überaus breit gefächertes Angebot an Freizeitaktivitäten im Upland. Unter skywalk-willingen.de und willingen.de wird jeder fündig.
Perfekt eingefügt
Über allem stand die Maßgabe, den Eingriff in Natur und Landschaft so gering wie möglich zu halten. In der Rückschau kann man nun guten Gewissens sagen, dass die Herausforderungen erfolgreich gemeistert wurden. Denn lediglich 100 Quadratmeter Waldfläche mussten weichen, um Platz für die Stützen zu schaffen. Und das Ergebnis spricht für sich: Die Zugänge zum Skywalk fügen sich nahtlos und fast schon unscheinbar ins Gesamtbild ein, da keinerlei Pfeiler oder Stützen nötig sind.
Bewegte Bauphase
Die ersten Pläne für ein Vorhaben dieser Art keimten bereits 2017. Damals noch für den Diemelsee. Doch die Bedenken hinsichtlich Naturschutz und Infrastruktur überwogen, weshalb sich die Projektverantwortlichen schlussendlich für Willingen entschieden. In einem Verbund aus Privatpersonen, Gastronomen, Unternehmern und heimischen Banken wurde das nötige Kapital für die Investitionssumme von über vier Millionen Euro aufgebracht. Zur Umsetzung vertraute man auf die erfahrenen Schweizer Experten von Swissrope, die schon vergleichbare Projekte erfolgreich begleitet haben.
Zahlreiche Genehmigungsverfahren, Probebohrungen und geologische Gutachten später konnte der Bau des Skywalk dann im Januar 2022 beginnen. Während der Bauzeit mussten etwa drei Kilometer Stahlseile vom Mühlenkopf zum Berghang auf der anderen Seite gezogen werden. Schon damals entpuppte sich der Skywalk als Besuchermagnet.
Und am 1. Juli 2023 war es dann endlich so weit. Die längste Hängebrücke Deutschlands wurde eröffnet. Und „jetzt freuen wir uns riesig, dass wir so viele glückliche Gäste auf dem Skywalk haben dürfen“, berichtet Ulrich Keudel stolz.
Erwartete Besuchermassen
Unentschiedenen oder solchen, die sich erst kurz stärken wollen, bevor sie in schwindelerregende Höhen aufbrechen, seien die zahlreichen Rastplätze um und über dem Eingang empfohlen. Von dort kann man sich einen guten Eindruck von dem bevorstehenden, fast 700 Meter langen Drahtseilakt verschaffen. Hoch über den Wäldern ist der Blick frei auf ein einzigartiges Panorama.
Mit bis zu 100.000 Besuchern jährlich rechnen die Betreiber. Da ist es überaus vorteilhaft, dass die bereits vorhandene Infrastruktur rund um das Skisprunggebiet mit genutzt werden kann und nicht neu angelegt werden musste. Dergestalt zeigt sich der Skywalk als passgenaues Bindeglied zwischen den bereits vorhandenen Tourismusangeboten in Willingen. Schließlich zählt der Ort pro Jahr rund 350.000 Übernachtungsgäste, zuzüglich der Tagesgäste.
Flache Witze
Bei solch einer beachtlich hohen Zahl an Besuchern, da ist die Chance ziemlich groß, dass bestimmt der eine oder andere Luke seinen Weg zum Skywalk findet. Kraft der eingangs erwähnten steilen Vorlage für den äußerst flachen Witz … naja, lassen wir das.